Archiv 2005 - 2001

12.11.2001

Eine Kraft, die zu existenzieller Freiheit führt

Religionslehrertag - Konfession und Offenheit

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Über den Religionsunterricht und die Bedeutung der Religion in der Schule diskutierten Professor Dr. Andreas Feige aus Braunschweig, Dietlind Fischer aus Münster und der Schulreferent Pfarrer Günter Puzberg (von links).

Nahezu alle Religionslehrer wollen ihre Schüler bei der Religiosität abholen, die diese von sich aus mitbringen, und sie entwickeln und fördern. Diese Erkenntnis trug Professor Dr. Andreas Feige von der Technischen Universität Braunschweig als Ergebnis einer repräsentativen Befragung vor. Demnach geht es im Religionsunterricht nicht um ideologische Einflussnahme. Religionslehrer vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler den eigenen Glauben als Kraft begreifen, die dem menschlichen Bedürfnis nach Übersinnlichem „eine in der christlichen Tradition verbürgte Gestalt anbietet: eine Gestalt, die den Menschen zu existenzieller Freiheit befreien will.“ Solche „religiöse Emanzipation“ bewahrt nach Überzeugung des Religionspädagogen vor Angst und Anfälligkeit gegenüber okkulten Kräften. Die Untersuchung von Professor Feige ergab als selbst gestecktes Ziel des Religionsunterrichts, die Persönlichkeit der Heranwachsenden zu entfalten, und zwar als Ausdruck dessen, was in der Existenz eines jeden Menschen religiös ist. Jedes denkende Wesen stellt sich irgendwann die Frage nach seinem Sein, seinem Woher und Wohin. Dieses Nachdenken kommt an der Frage nach Gott nicht vorbei. Der Religionsunterricht solle den Blick auf diese Gottesfrage lenken und außerdem „die Schüler für eine anschaulich-gestalthafte Religionspraxis sensibilisieren“, also ihre Wahrnehmung wecken und schärfen für konkret gelebten Glauben.
Und wenn es die Schüler wissen wollen und ihre Lehrerin direkt und persönlich nach ihrem Glauben fragen? Für Pfarrer Günter Puzberg „lohnt es sich, der Frage nachzugehen.“ Das bedeutet für den Schulreferenten der Lippischen Landeskirche: den Hintergrund und tieferen Sinn der Frage einfühlsam zu erspüren und die Antwort danach auszurichten. Ein vorformuliertes Bekenntnis werde in den seltensten Fällen gefragt sein. Das persönliche Glaubenszeugnis sollte mit jenem sensiblen Zuhören verbunden sein, das die Frage nach dem Bekenntnis gegebenenfalls auch als „Hilferuf“ zu deuten ermöglicht. Wenn etwa im Elternhaus geäußerte Überzeugungen – „Mein Vater sagt aber...“ – Inhalten des Religionsunterrichts widersprechen, könne das für ein Kind verwirrend sein. Religionspädagogische Aufgabe, so Puzberg, sei es dann, die Suche des Kindes behutsam zu begleiten. Dann gehe es nicht nur um fertige abschließende Antworten, sondern eventuell auch um das Eingeständnis eigener Fragen.
Nach Überzeugung von Kirchenrat Andreas-Christian Tübler muss der Religionsunterricht elementare Aussagen, Symbole, Bilder und Weisungen der religiösen Sprachwelt für die Wahrnehmung, Erklärung und Ordnung des Lebens erschließen. Tübler dankte den Lehrerinnen und Lehrern und ermutigte sie, ihre christliche Identität nicht zu verschweigen, sondern zu bezeugen.
Dietlind Fischer vom Comenius-Institut Münster beschrieb mit der „didaktischen Landkarte“ ein Konzept, wie Religion im Schulprogramm an verschiedenen Stellen eingearbeitet werden kann. Seit dem Jahr 2000 haben die nordrhein-westfälischen Schulen den ministeriellen Auftrag, ein schriftliches Schulprogramm zu entwickeln. Es soll die grundlegenden pädagogischen Ziele einer Schule beschreiben und die Wege, die dorthin führen. Die Erziehungswissenschaftlerin schilderte Möglichkeiten, wie dies für die Religion in der Schule angewandt werden kann. Dabei beschränkte sie sich nicht auf den Religionsunterricht. Herauszufinden sei, „wo Religion erfahren werden kann, wann religiöse Fragestellungen auftauchen und wie Religion in der Schule thematisiert wird, mit wem das alles zusammen geschieht und was religionspädagogisch bedeutsam ist für Lehrende und Lernende.“ Die Möglichkeiten reichten vom gemeinsam gestalteten Morgenkreis in der Klasse über die Erkundung von Kirchenräumen bis hin zur Verständigungskultur bei der Gestaltung von Lehrerkonferenzen. Neben den vielen religiösen Aspekten des Schullebens werde der Religionsunterricht selber aber häufig in der Beschreibung leider oft vernachlässigt.

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