Archiv 2005 - 2001

19.11.2003

Worte, die nicht untergehen im aufgeregten Geschnatter der Zeit

Pressemitteilung: Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier zum Buß- und Bettag

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Gerrit Noltensmeier

Buß- und Bettag. Erinnern Sie sich? Ja, ein Feiertag. Evangelisch. Immer ein Mittwoch. Einst im Kalender rot markiert, der Feiertag gesetzlich geschützt. Die Pflegeversicherung wollte man finanzieren. Die war ein großes Ziel und ist eine große Gemeinschaftsaufgabe geblieben. Dazu sollte es helfen, den Feiertag zu streichen. Nun ist die Versicherung trotzdem in finanzielle Turbulenzen geraten. Der Feiertag? Komfortabel war er, weil arbeitsfrei. Und sonst? Die Bedeutung war bei vielen längst vergessen. Brauchen wir überhaupt die besonderen Tage, Feier- Gedenktage im Jahreslauf? Einen Tag der Arbeit? Geht es nicht ein Leben lang um die rechte Balance von Freiheit und Pflichten, Aufatmen und Anstrengung? Der Tag der Deutschen Einheit. Es geht doch Jahr für Jahr darum, dass wir für Einheit dankbar bleiben, sie wahren in der Solidarität eines Volkes, sie nicht verspielen im Dschungel der Interessen. Christi Geburt, Weihnachten? Wird uns nicht in jeder Jahres- und Lebenszeit die Liebe Gottes überraschend, menschlich nahe kommen, unerkannt bleiben, die Welt verändern? Und Ostern. Und Pfingsten. Ist das nicht alles gültig zu jeder Zeit? Ja, gewiss. Aber vieles stürmt auf uns ein, Tag für Tag. Da helfen die besonderen Akzente. Vergesslich wie wir sind, brauchen wir hilfreiche Stützen des Gedächtnisses.
Buß- und Bettag? Es ist, als kreuze ein Gast, fremd oder vertraut, unseren Weg. Er blickt uns an: Ernst und zugleich ein wenig erheitert über all unsere Anstrengungen, wenn er uns beobachtet, uns atemlos Schnäppchenjäger des Glücks. Prüfend sieht er uns an, forschend, aber nicht ängstigend, fordernd, aber nicht quälend. Wir beginnen in uns hinein zu hören, aufmerksamer als sonst auf das Verschüttete und die leisen Töne zu achten. Und wir hören zugleich auf Worte und Klänge, die sich abheben vom Lärm der Welt, die nicht untergehen im aufgeregten Geschnatter der Zeit.
Buße, das ist die kritische Musterung des eigenen Lebens, das ist das Angebot der Freiheit, wenn das Herz sich verkrochen hat im Stolz, sich eingerichtet hat in der Enge der Niedergeschlagenheit, wenn wir verstrickt sind in globale Ungerechtigkeit, wenn wir uns verrennen in die kurzsichtigen eigenen Interessen. Vielleicht so: Die Tage, die die Gesetzmäßigkeit des Lebens unterbrechen, die im Leben auf anderes verweisen als Arbeit und Konsum, Wirtschaftlichkeit und Nützlichkeit, die von Stille und Muße, Kunst und Gemeinschaft, Gottesdienst und Liedern durchzogen sind, Tage, die Gemeinschaft stiften, sind heilig. Es wird nicht gut sein, den Boden erneut zu bereiten, auf dem sich die aufstellen wollen, die sich an diesem Rhythmus des Lebens vergreifen wollen und die Sonn- und Feiertage um ihre besondere Bedeutung bringen.
Und: Reformen sind nötig. Unerträglich ist es, wenn sich die Berge der Schulden weiter türmen, wenn Belastungen fortgeschrieben werden in jene Zukunft, die die Gegenwart unserer Kinder sein soll. Die Hemmungslosigkeit der Interessenvertreter verhindert notwendige Bewegungen. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und wir wollen auch in Zukunft nicht unter unseren sozialen Möglichkeiten bleiben. Und: Der Schutz des Lebens bleibt uns aufgetragen. Leben zu behüten, das sich aus den kleinsten Anfängen entwickeln und entfalten will, bleibt unsere wunderbare Pflicht. Es soll nicht verwertet sein, getötet werden, um fragwürdige Heilungen zu ermöglichen. Welche Heilung macht den Menschen heil, wenn sie dem Töten und dem verzweckenden Gebrauch wehrlosen Leben geschuldet ist? Und ...
Buß- und Bettag. Über dem Tag steht in der evangelischen Kirche seit langen Zeiten die biblische Weisung: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute verderben.“ (Sprüche 14, 34). Gerechtigkeit ist der Raum, in dem wir befreit werden zum solidarischen Miteinander. Sünde ist das Verstricktsein des Menschen in das Eigene. Buße ist Umkehr und Befreiung. Gebete öffnen die Seele für die Zwiesprache mit Gott.

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