Beeindruckender Orgelsommer in der Marktkirche Lage. Mit Margarete Wißmann, Lea Marie Lenart, Christiane Dorß-Dierker und Dr. Sven Lesemann (von links).

In voller Pracht

Lippischer Orgelsommer begeisterte in Lage

Lage. Der ehemalige Kantor Volker Stenger hatte wohl einen Schutzengel. Der Engel, der die Orgel krönt, wackelte beim Spiel schon bedenklich und hing am seidenen Faden, was man 2006 bei Restaurierungsarbeiten entdeckte. Heute steht die Orgel mit 25 Registern und 2000 Pfeifen in voller Pracht da. Der Lippische Orgelsommer, den Lippischer Heimatbund und Lippische Landeskirche ausrichten, hat in der evangelisch-reformierten Marktkirche Station gemacht. Superintendent Dr. Sven Lesemann begrüßte über 200 Gäste zur Kirchenführung, in der Christiane Dorß-Dierker über die Geschichte der Kirche und Orgel informierte.

Lage gehörte zum Bezirk des Paderborner Bischofs, als um 900 am Verkehrsknotenpunkt Werrefurt die Kirche als Keimzelle der Stadt erbaut und Johannes dem Täufer geweiht wurde. Nach mehreren Umbauphasen erhielt sie 1471 ihr endgültiges Erscheinungsbild. Beim Bau der Barockorgel von 1707 erweiterte Johannes Fincke die Vorläuferorgel, die Cord Lohoff aus Bielefeld um 1650 gebaut hatte. Ein zweites Manual und eigenständiges Pedalwerk kamen 1884 hinzu. Das Rückpositiv wurde 1947 von der Firma Hammer aus Hannover erbaut und 2007 feierte die Fincke-Orgel ihr 300jähriges Jubiläum. Mit der 500 Jahre alten „Maria“, eine der drei großen Glocken der Marktkirche, die im Krieg vor dem Einschmelzen bewahrt werden konnten, besitzt Lage eine der ältesten Kirchenglocken von Lippe.

Margarete Wißmann, Vorsitzende des LHB-Ortsvereins Lage, lobte das Erfolgskonzept des Lippischen Orgelsommers, der auf Initiative von Friedrich Brakemeier seit 2006 in der 15. Auflage Orgelschätze Lippes in den Sommerferien bekannt macht. „Kirche, Konzert, Kultur, Kommunikation, Kaffee und Kuchen begeistern ein breites Publikum.“   

Kantorin Lea Marie Lenart interpretierte im Konzert Werke von Froberger bis Bédard. Die Organistin, die in Detmold studierte, entfaltete den feinen Silberklang der Fincke-Orgel im 1. Satz des italienischen Concerto C-Dur BWV 594, das Bach 1713 nach dem Concerto D-Dur „Grosso Mogul“ RV 208 von Vivaldi für Orgel bearbeitet hat. Filigrane Solo- und fulminante Tuttipassagen wechselten im virtuosen Spiel, das die Gäste per Videoübertragung verfolgten. Tanzvariationen der Partita VI über das Lied „Die Meierin“ von Johann Jacob Froberger (1616-1667) brachten historische Register von der Spitzflöte bis zur Trompete zum Leuchten. Dass die Königin der Instrumente auch ein sommerliches Flötenkonzert realisieren kann, zeigte das Werk des Darmstädter Hoforganisten Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846), in dem Flöten des Rückpositivs im beeindruckenden Dialog mit dem Hauptwerk standen. Der Norwegische Tanz Nr. 2 op. 35 von Edvard Grieg (1843-1907) brachte schwungvoll die Fröhlichkeit skandinavischer Tanzmusik zu Gehör. Die volle Klangpracht der Orgel zeigte die viersätzige Konzert-Suite des Kanadiers Denis Bédard (*1950). Strahlende Fanfaren eröffneten den Eingangsmarsch, dem sphärische Klänge der Viola da Gamba im meditativen Choral folgten. Spitze motorische Flöten verliehen der „Badinerie“ einen pfiffigen Charakter und das tänzerische Finale zeigte opernhafte romantische Züge. Das von allen Gästen gesungene Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ ließ das beeindruckende Konzert ausklingen, das viel Applaus erhielt.

Am Sonntag 6. August klingt der 15. Orgelsommer an der historischen Wurlitzer Kinoorgel in der katholischen Kirche Heilig Geist zu Lemgo mit Gregor Schwarz aus. Ab 15 Uhr beginnt die Kirchenführung.

03.08.2023