Orgelsommer in Heilig Geist. Gemeindereferent Klaus Junghans und Kantor Gregor Schwarz an der Orgel gestalteten den Ausklang des 15. Lippischen Orgelsommers

Herausragende Qualität der Kinoorgel

Der 15. Lippische Orgelsommer klingt in der Lemgoer Heilig-Geist-Kirche aus

Kreis Lippe/Lemgo. Der 15. Lippische Orgelsommer ist in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist in Lemgo ausgeklungen. Auf der frisch eingeweihten historischen Wurlitzer Kinoorgel spielte Gregor Schwarz Werke, die die Vielfalt des Instrumentes vom Barock über französische Romantik bis hin zur Filmmusik zeigten. Friedrich Brakemeier, auf dessen Initiative der Orgelsommer in Kooperation vom Lippischen Heimatbund und der Lippischen Landeskirche 2006 gegründet wurde, begrüßte rund 200 Gäste.

Der Zuspruch zum Orgelsommer sei ungebrochen. Insgesamt zählten die sieben Stationen des Lippischen Orgelsommers in diesem Jahr rund 1.600 Besucher. Ein besonderer Dank gebührt den veranstaltenden Gemeinden und Heimatvereinen vor Ort sowie den Musikerinnen und Musikern, die mit abwechslungsreichen Programmen zum großen Erfolg maßgeblich beitrugen.

Bei der siebten Station kam zum Erfolgskonzept: Kirche-Konzert-Kultur-Kommunikation-Kaffee und Kuchen das siebte „K“ wie katholisch hinzu. 

Da der Innenraum der denkmalgeschützten Kirche sehr weiträumig wirkt, stellte Gemeindereferent Klaus Junghans die Kirchenführung unter das Motto „Du führst uns hinaus in die Weite“.

Das Gebäude wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erbaut und möchte Welt und Kirche zusammenbringen. Der Einbau einer Kinoorgel, die jetzt der Liturgie dient, unterstützt diese Absicht. Die Baumaterialien sind durchweg modern. Der Stahlbetonbau wurde auf einem quadratischen Grundriss 1966 bis 1967 unter Bauleitung des Architekten Joachim G. Hanke errichtet. Der Glockenturm des mit Backstein verkleideten Kubus steht frei. Der Boden fällt nach vorn ab, wodurch man sich zum Altarraum hingezogen fühlt. Das Farbkonzept von Otto Herbert Hajek akzentuiert die drei Farben Rot, Gold und Blau, die an die Trinität erinnern.

Junghans verglich den Bau mit einem Raumschiff und las einen Text, zu dem Gregor Schwarz die Filmmusik von „Raumschiff Enterprise“ auf der Orgel intonierte: „Heilig Geist wirkt futuristisch, fremd, nicht von dieser Welt. Wie ein gewaltiges Raumschiff steht die Kirche da und macht neugierig. Zwei Andock-Schleusen dienen als Eingänge. Landungsstege mit Landungstreppen sind vorgeschoben und laden zum Betreten ein.“

Die Eingangstreppen motivieren zur Entschleunigung. Hervorstehende Steine im Innenraum verleihen den Wänden Lebendigkeit. Der Innenraum wirkt trotz seiner Weite introvertiert und erhält erst durch Menschen Wärme. Kirchen sind Räume der Begegnung mit Menschen und mit Gott. Das Kreuz wirkt wie eine durchbrochene Mauer und das Licht der Farben leuchtet in die Weite.   

Die Kirche besitzt seit Mai 2023 eine „neue“ Orgel. Die Wurlitzer-Kinoorgel wurde 1924 in New York erbaut und im Kino genutzt. 1946 gelangte das Instrument in Privatbesitz eines Arztes in Los Angeles. 1997 erwarb Orgelbauer Friedrich Fleiter (Münster) das Instrument und stellte es in seiner Werkstatt auf. Danach wurde es generalüberholt und in der Heilig-Geist-Kirche wiederaufgebaut. Die Kulturinitiative „Frauen für Lemgo“ hat in einer Orgelpfeifenpatenschaft die Finanzierung zweier Register übernommen, wofür ihnen Gregor Schwarz dankte. Das „Glockenspiel“ mit 30 Tönen und das „Salicional 8“ mit 73 Pfeifen kamen daher im Flötenuhrstück C-Dur von Beethoven, mit dem Gregor Schwarz das Konzert eröffnete, besonders zur Geltung. Das Präludium G-Dur von Mendelssohn Bartholdy füllte den Kirchraum mit feierlichen Klängen. Ein Carillon (französisches Turmglockenspiel) von Aloÿs Claussmann (1850-1926) zeigte die Qualität der großen Röhrenglocken, während „Les Clochettes“ von Louis Maes (1850-1906) den zarten Glöckchen das Wort gab. Das Stück „Golden Bells“ des Engländers Frank Adlam (1858-1929) ließ die Glocken im schnellen Fluidum erklingen und der „Marche du Sonneur“ (Marsch des Glöckners) von Jacques-Louis Battmann (1818-1886) zog wie auf einer Jahrmarktsorgel alle Glockenregister. Die „Suite Gothique“ von 1895 des Franzosen Léon Boëllmann (1862 1897) bewies, dass die Kinoorgel auch die differenzierte Klangsprache französischer Orgelmusik der Romantik beherrscht. Nach der gravitätischen Einleitung Maestoso folgte das Menuett Gothique in tänzerischer Leichtigkeit. Schwebende Klänge mit zarten Streichern prägten das musikalische Mariengebet „Prière à Notre-Dame“ und die Toccata entfaltete große Dramatik. Die herausragende Qualität der Kinoorgel für die Begleitung von Stummfilmen zeigte Gregor Schwarz mit seiner Improvisation zum Scherenschnittfilm „Der Froschkönig“ von Lotte Reiniger aus dem Jahr 1954. Das Publikum dankte für das beeindruckende Konzert mit viel Applaus und konnte anschließend das Innenleben der Kinoorgel und ihre Spezialeffekte wie Sirenen, Autohupen und Vogelgezwitscher erforschen.  

08.08.2023